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„Es geht uns alle was an- wir müssen dran bleiben!“

„Es geht uns alle was an- wir müssen dran bleiben!“

von Alina Witte

Wir haben uns erneut mir Andrea Brem, die seit 2001 Geschäftsführerin des Vereins der Wiener Frauenhäuser ist, an einen Tisch gesetzt, um bei einem türkischen Kaffee gemeinsam über die Probleme der häuslichen Gewalt zu reden.

Einspruch: Frau Brem, wie schätzen Sie die heutige Lage der Wiener Frauenhäuser ein?

Brem: Es wird gegenüber den Frauenhäusern Kritik geäußert, oft sind das aber einfach Vorurteile. Ich bin mir sicher, dass die Betreuung von Frauen die Opfer von Gewalttaten geworden sind, so essentiell ist und wir auf keinen Fall wegschauen dürfen. Bereits vor der Eröffnung des ersten Frauenhauses in Wien, haben zwei Frauen dort Unterkunft gesucht. Oft ist dies für Frauen die einzige und letzte Möglichkeit ihre Probleme öffentlich zu machen und sich neben den Frauenhäusern an weitere Interventionsstellen, oder die Polizei zu wenden. Dort werden sie über ihre Rechte informiert, was den Tätern in den meisten Fällen ganz und gar nicht gefällt. Eine typische Täterstrategie ist, die Dinge zu verharmlosen, da es in der Öffentlichkeit als „peinlich“ gilt ein Frauenschläger zu sein. Die Frauenhäuser mutieren dann zu „Frauen-Wegholer“ in den Köpfen der Männer, obwohl die Frauen doch eigentlich freiwillig zu uns kommen und auch wieder gehen können. Es ist kein Gefängnis! Wir empfehlen den Frauen allerdings über Nacht bei uns zu bleiben, manche sind jedoch auch hin und wieder zum schlafen bei ihrer Familie. Wenn eine Frau längere Zeit von den Frauenhäusern wegbleibt, empfehlen wir ihr den Auszug aus der Einrichtung, weil anzunehmen ist, dass sie unsere Hilfe nicht mehr benötigt.

Einspruch: Können Sie die verschiedenen Arten von Gewalt definieren? Oft wird ja beim Thema Gewalt, nur von der körperlichen gesprochen.

Brem: Oft ist eine Watsche der erste Schritt zur physischen, also körperlichen Gewalt. In einer Partnerschaft sollte man sich eigentlich gegenseitig hohen Respekt zeigen und Konflikte keinesfalls mit Gewalt (ich denke auch die Watsche ist inakzeptabel!) lösen. Wenn dieser Respekt und das Vertrauen einmal gebrochen sind und stets der körperlich Schwächere gegen den Stärkeren verliert, ist dies untragbar.

Eine weitere Stufe der Gewalt, ist die psychische, wie Beschimpfungen, Telefonterror, ein- oder aussperren in beziehungsweise aus der Wohnung und sogar Schlafentzug. Diese Dinge können ebenso größerem Schaden anrichten wie die körperliche Gewalt und sind meist lang anhaltend. Die sexuelle Gewalt ist auch ein sehr großes Thema, für das sich zahlreiche Frauen schämen. Selbst wenn sie bereits in den Frauenhäusern wohnen, vertrauen sie sich uns oft erst nach Monaten an. Das größte Problem daran ist, dass die Männer ihre Frauen häufig als Besitz und Eigentum betrachten, nachdem sie geheiratet haben. Die Männer sind fixiert, oft sogar krankhaft vernarrt und akzeptieren kein „nein“ von ihren Frauen. Häufig werden sie von ihren Männern zu Dingen gezwungen, die sie überhaupt nicht wollen, während die Männer es schlicht und einfach als „Ehepflichten“ bezeichnen. Zuletzt, jedoch ebenso schlimm ist die ökonomische Gewalt. Dies bedeutet, dass Frauen ausgebeutet werden, in dem sie kein Recht auf eigenes Geld haben und sie es ihren Männern stets abliefern müssen. Sie sind verpflichtet den Männern Rechenschaft abzulegen, selbst wenn es ihr eigen verdientes Geld ist. Auch wenn Frauen, die in Österreich leben, von ihren Ehemännern aus nicht Deutsch lernen dürfen, ist das nicht akzeptabel.

Einspruch: Wo sehen Sie die Unterschiede zwischen den Frauen aus Österreich und Frauen mit Migrationshintergrund in Ihren Einrichtungen?

Brem: Ein großes Problem, besonders unter den Migranten, ist die Erpressung mit der Aufenthaltsgenehmigung. Frauen mit Migrationshintergrund leben oft in einer Art Gewaltspirale. Sie werden isoliert und der Kontakt mit anderen Bekannte und Verwandte wird ihnen verboten. Der Gedanke, wieder ins Ursprungsland zurück zu müssen oder allein in Österreich leben zu müssen, schüchtert die Migrantinnen oft sehr ein und macht es ihnen deutlich schwerer sich von ihren Männern zu trennen. Hinzu kommt noch der starke Druck von Seiten der Familie, besonders in stark patriarchalischen Familien. Das typische Frauenbild, nur Kinder großziehen zu müssen und nicht arbeiten zu gehen, ist ein sehr veraltetes und muss dringend aus dem Weg geschafft werden. Wir brauchen in Österreich Menschen und vor allem auch Frauen aus dem islamischen Kulturkreis, die mit uns gemeinsam eine Differenzierung vornehmen, nur so kann uns eine grundlegende Veränderung gelingen. Weiters kommt hinzu, dass wenn Frauen mit Migartionshintergrund in Österreich berufstätig sind, sie sich manchmal nicht trauen (ich möchte keinesfalls diskriminieren!)Kritik zu äußern, neuen Ideen einzubringen und sich als nicht- deutschsprachige Mitarbeiter oft gezwungen fühlen sich anzupassen. Sie sind sozusagen „mundtot“, aus Angst ihren Job wieder verlieren zu können. Dieser Überangepasstheit müssen wir ein Ende setzen! Im Vergleich dazu wird in Österreich selbst mit dem Thema Scheidung leichter umgegangen. Man sagt ja nicht umsonst, dass heutzutage schon fast jede zweite Ehe geschieden wird. So genannte „Patchwork-Familien“ und das getrennte Sorgerecht sind für die meisten von uns ganz normal, ganz anders sieht das aber in streng muslimischen Ländern aus.

Einspruch: Würden Sie sagen, dass man die steigenden Flüchtlingsraten auch in Ihrem Bereich zu spüren bekommt?

Brem: Ja, das auf jeden Fall. Zur Zeit spüren wir in den Frauenhäusern besonders den Strom aus dem Norden, zum Beispiel aus Tschetschenien, deswegen finde ich, ist es besonders wichtig, dass wir versuchen die Probleme gemeinsam zu lösen, denn sie gehen uns alle was an. Mein Ziel ist es gemeinsam mit meinen rund 90 MitarbeiterInnen eine friedliche Zusammenarbeit, im Hinblick auf die Integration und den Familienfrieden zu schaffen.

Einspruch: Wie erleben Sie es, wenn Familien getrennt werden und die Kinder darunter leiden?

Brem: Zunächst einmal kann ich voll Stolz sagen, dass die Frauenhäuser sehr vielen Frauen und Kindern das Leben gerettet haben. Die Kinder haben bei uns höchste Priorität, deswegen arbeiten wir auch sehr eng mit dem Jugendamt zusammen. Man muss immer wieder bedenken, dass es in den meisten Fällen nicht um einen Rosenkrieg zwischen den Eltern geht, sondern es geht um massive Gewalt, zum Teil um wirkliche Lebensgefahr. Dazu kommt, dass nicht nur der Vater die Täterrolle innehat, sondern auch Mütter ihre Kinder schlecht behandeln. Es gilt also genau hinzuschauen, was für das Kind das Beste ist. Natürlich ist für Kinder die Beziehung zu beiden Elternteilen sehr wichtig, aber wenn Eltern das Wohl ihrer Kinder gefährden -und Gewalt in der Familie gefährdet immer sowohl die körperliche, als auch die seelische Gesundheit der Kinder – ist das untragbar. In diesem Fall müssen sie geschützt werden. Bei uns werden die Kinder nachhaltig betreut, wenn sie zuhause Zeuge oder auch Opfer von Gewalt und Misshandlung geworden sind. Die Buben werden zum Beispiel von männlichen Therapeuten betreut, die ihnen auf behutsame Art und Weise verständlich machen, dass ihre gewalttätigen Väter keine guten Vorbilder sind.

Einspruch: Wie man deutlich erkennen und hören kann, sind Sie von Ihrer Arbeit und das wofür Sie sich einsetzen, sehr überzeugt! Wie ist denn Ihre allgemeine Meinung, wenn es um das Thema „häusliche Gewalt“ geht?

Brem: Ich persönlich finde, dass das Wort „Zuhause“ für Frieden, Geborgenheit und Sicherheit stehen sollte. Leider ist es immer häufiger mit sehr viel Angst und Schrecken verbunden, wenn beispielsweise der Mann nach Hause kommt und die Frau sich stets fragen muss: „Was wird heute passieren?“, „Ist er heute gut drauf?“, „Wird er mich wieder schlagen?“. Solche Situationen sind untragbar und passieren leider trotzdem viel zu oft, auch ganz in unserer Nähe. Wir dürfen auf keinen Fall wegschauen! Ich setze mich nun seit vielen Jahren für Frauen in solchen Lebensumständen ein. Bevor ich 2001 Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser wurde, war ich selbst Mitarbeiterin in diesen Einrichtungen. Ich war auf einer Sozialakademie und habe eine Supervisionsausbildung genossen. Seit ich denken kann, setze ich mich mit dieser Art von Problemen auseinander, aber ich bin noch lange nicht müde!

 

Maria Magdalena Sevgen

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