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Österreich und sein einzementiertes Türkenbild: Hatschi Bratschi

Österreich und sein einzementiertes Türkenbild: Hatschi Bratschi

Aus dem Buch: “Der böse Türke Hatschi Bratschi heißt er, und kleine Kinder fängt und beißt er. Du kommst mit mir ins Türkenland”

Dies ist nur einer der vielen einfachen suggestiven Verse aus dem “beliebten” (!) Kinderbuch Hatschi Bratschis Luftballon, der vielen im Gedächtnis blieb und somit seit den 60er Jahren Vorurteile gegenüber Türken aufbaute.

von Leyla Sagmeister

Die damalige Darstellung des Hatschi Bratschi als kinderbeißenden Türken mit Turban, sollte den Kindern Angst machen, wobei dies viele Pädagogen als ablehnungswürdig empfanden. Es sei fremdenfeindlich, rassistisch und erschwere die Integration von Ausländern, insbesondere von Türken.

Die Geschichte von Hatschi Bratschis Luftballon wurde 1904 im Kopf von Franz Karl Ginzkey geboren und erschien erstmals im gleichen Jahr im Berliner Seeman Verlag. Diese Ausgabe ist heute extrem selten zu finden. Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Buch immer wieder neu verlegt. Auch die Darstellungen und Abbildungen des Hatschi Bratschi wurden moderater. Aus dem grausam wirkenden Bösewicht wurde ein gemütliches Kerlchen mit einer Zipfelmütze. Letztendlich wurde das Buch auch einer textlichen Bereinigung unterworfen, um den geänderten gesellschaftspolitischen Vorstellungen zu genügen.

Wenn also thematisiert wird, dass Hatschi Bratschis Luftballon unter dem Gesichtspunkt politischer Korrektheit höchst problematisch sei, muss man sich allerdings vor Augen halten, dass dieses Buch 1904 entstanden ist und Problemstellungen, die heute allgegenwärtig sind, damals in dieser Form gar nicht existierten. In einer Zeit, in der viele Türken in unserem Land leben und arbeiten, ist es also um des sozialen Friedens Willen schädlich, eine Figur als kinderbeißenden Türken mit Turban darzustellen.

Auch für die zahlreichen schwarzafrikanischen Zuwanderer und Asylanten ist es eine Frechheit, diese Bevölkerung in einem Kinderbuch als Menschenfresser darzustellen. Dies zerstört jeglichen Versuch einer erfolgreichen Integration. Jene Ausgaben, die noch keine Textbereinigung beinhalten, sind heutzutage zwar leichter zu finden, aber recht teuer. Ebenso ist es angesichts zahlreicher schwarzafrikanischer Asylanten und Zuwanderer, die mehr oder weniger um Integration ringen und auf gar keinen Fall diskriminiert werden dürfen, völlig unzulässig, von ‘Negern’ zu sprechen (es gibt meines Wissens nach keine aktuelle Ausgabe des alten Kinderbuches zehn kleine Negerlein), oder schwarze Menschen gar in einem Kinderbuch als bösartige Menschenfresser darzustellen.

Der Pädagogische Einwand

Mit der Frage, ob und inwieweit märchenhafte Erzählungen Kinder ängstigen könnten, habe ich mich schon im Beitrag Kinder und Märchen auseinandergesetzt. Für “Hatschi Bratschis Luftballon” gilt zunächst das, was bereits zum ‘Struwwelpeter’ gesagt wurde. Zwischen der Entstehung der beiden Werke, die eine deutliche Ähnlichkeit erkennen lassen, liegen ja auch kaum mehr als so Jahre und zu Beginn des 20 Jahrhunderts, war es durchaus noch in der Tradition der Kinderbuchliteratur, Kindern die Folgen von Ungehorsam drastisch vor Augen zu führen. Folgerichtig heißt es auch zu Anfang von ‘Hatschi Bratschis Luftballon’:

Wie sprach die Mutter? Liebes Kind, Sei brav, wie andre Kinder sind, Und bleibe schön bei mir zu Hause. Er aber lief zur Tür hinaus.

Er achtet nicht der Mutter Wort….

Und schon nimmt das Unheil seinen Lauf.

Denn es nähert sich ein grosser roter Luftballon, in dem ein Zauberer sitzt.

…Der böse Hatschi Bratschi heißt er, Und kleine Kinder fängt und beißt er.

…Ach Hatschi Bratschi hat ihn schon!

Er hat ihn schon und hält ihn fest, Well er mit sich nicht spaßen läßt….

Da hilft kein Schreien und Weinen, Kein Strampeln mit den Beinen…

Aber anders als im ‘Struwwelpeter’, wo jedes kindliche Fehlverhalten unweigerlich in einer Katastrophe mündet, erledigen sich die Probleme in “Hatschi Bratschis Luftballon” immer von selbst, die Unholde, Zauberer, Hexen und Menschenfresser stürzen selber zu Tode und auch sonst nimmt jede bedrohliche Situation eine gute Wendung.

Ich habe stets gefunden, dass dieses Buch einen geradezu unbegründeten Optimismus ausstrahlt. Nun ist natürlich nicht auszuschließen, dass sich im Einzelfall ein kleineres Kind beim Lesen oder Hören dieser Geschichte fürchtet.

Wenn man das Buch Kindern erst in einem Alter zugänglich macht, in dem sie es schon selbst lesen können, halte ich das aber nicht für ein generelles Problem. Wenden wir uns nun dem zweiten, weit schwerwiegenderen Einwand zu, das Buch sei unter dem Gesichtspunkt politischer Korrektheit abzulehnen.

Maria Magdalena Sevgen

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