Eine Analyse von Birol Kilic, Wien 15.01.2011
Thilo Sarazzin hat im Profil-Interview für eine eugenische Demographie, also für eine nach Erbkriterien gesteuerte Bevölkerungspolitik, argumentiert und unverschämt mit folgenden rassistischen Sätzen in Bezug auf Türken aufhorchen lassen: “Jeder Hunde- und Pferdezüchter lebt davon, dass es große Unterschiede im Temperament- und Begabungsprofil der Tiere gibt. Und, dass diese Unterschiede erblich sind.”
Niemand hat sich bis jetzt gegen diese Aussagen in Österreich gewehrt und Einspruch erhoben. Wo sind die türkischen Politiker, wo sind die Gutmenschen in Österreich. Wie kann man solche Sätze verdauen. Wir sagen: “Guten Appetit!”, aber mein lieber Hund Fabia sagte mir: “Ich erhebe Einspruch! Du Schwein, Sarazzin!”. Sie hat mich davon überzeugt, diesen Artikel zu schreiben, weil sie sich beleidigt fühlt; wie kann man nur Hunde und Menschen in die gleiche Klasse stecken und in einem Satz verwenden? Ich möchte mit diesem Text meine Gedanken auf das Papier bringen und will damit für die Meinungsvielfalt in Österreich eintreten.
Das Nachrichtenmagazin Profil hat den früheren SPD-Politiker und Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ zum Menschen des Jahres 2010 gewählt und in ihrer ersten Ausgabe im Januar 2011 mit einer Titelblattstory belohnt. Knapp fünf Monate sind vergangen, seit der Spiegel und das Boulevardblatt Bild erste Auszüge aus Sarrazins Buch veröffentlicht haben. Seither ist eine Kampagne gegen muslimische Migranten aber besonders gegenüber Türken entbrannt.
Das Bemerkenswerte an der Debatte besteht darin, dass selbst krudeste Behauptungen aus dem Buch unwidersprochen bleiben. Sarrazin selbst hat bereits im März des vergangenen Jahres gegenüber der Süddeutschen Zeitung zugegeben, dass er seine angeblich so aussagekräftigen Statistiken selbst zurechtgebogen hat. Getreu dem Motto „Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“, erklärte er: Wenn man keine Zahlen hat, muss man welche erschaffen, die in die richtige Richtung weisen. Das ist ihm insofern gelungen, als nun allerorts von gewalttätigen, muslimischen Jugendlichen und ungebildeten Türken und Arabern die Rede ist, die nach der Scharia leben und sich auf Staatskosten ein schönes Leben machen. Kaum jemand tritt Sarrazin ernsthaft entgegen und widerlegt seine angeblichen Fakten.
Gegenwind
Dabei zeichnen offizielle Statistiken und Untersuchungen ein ganz anderes Bild. Wenn sie keiner widerlegen kann, dann setze ich mich mit meiner Schätzung durch. Sarrazin schreibt selbst wie Dr. Martin Kreickenbaum geschrieben hat, dass es keine wissenschaftliche zuverlässige Methode gibt, Geburtenverhalten und Zuwanderung über mehrere Jahrzehnte verlässlich vorherzusagen.
Trotzdem macht er genau das, um Ressentiments zu schüren und Angst zu verbreiten. Sarrazin bestreitet diesen Punkt jedoch nicht. Er behauptet unverdrossen, dass Intelligenz vererbbar sei und auf „rassischen“ Unterschieden beruhe. Er bezieht sich dabei auf das Buch „The Bell Curve“ des Politikwissenschaftlers Charles Murray und von Psychologie-Professors Richard Herrnstein. Diese hatten Anfang der 1990er Jahre die These vorgelegt, dass die Schwarzen in den USA nur deswegen viel stärker von Armut betroffen seien, weil sie im Durchschnitt genetisch bedingt dümmer seien.
Profil hat eine lange Reportage veröffentlicht mit einer bemerkenswert langen Einführung aber ohne viele Gegenargumente von Wissenschaftlern oder anderen Personen. Wir danken Profil trotzdem, dass wir als LeserInnen in Österreich einen ausführlichen Überblick über die spontanen Gedanken von Herrn Sarrazin erhalten haben. Wie er z.B. die Türken mit „Hunden und Pferden“ vergleicht und damit Ressentiment gegenüber 2,5 Millionen Menschen, die aus der Türkei stammen in Deutschland und über 250.000 Menschen in Österreich angreift. Aus der Profil-Reportage: Er plädiert für eine eugenische Demografie, also eine nach Erbkriterien gesteuerte Bevölkerungspolitik und argumentiert schnoddrig mit Sätzen, wie wir sie nun aus der Profil-Reportage zitieren: „Jeder Hunde- und Pferdezüchter lebt davon, dass es große Unterschiede im Temperament und Begabungsprofil der Tiere gibt und, dass diese Unterschiede erblich sind.“
Das Interessante an der Debatte über Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ besteht darin, dass ihm kaum jemand ernsthaft entgegentritt und seine angeblichen Fakten widerlegt. Hier hast du eine Wiederholung, die in deiner Einführung bereits mit dem fast selbigen Wortlaut vorliegt. Dabei zeichnen offizielle Statistiken und Untersuchungen ein ganz anderes Bild. Die Wissenschaftler der Humbold-Universität zu Berlin stellten Sarrazins Thesen (geäußert in seinem Buch “Deutschland schafft sich ab” und diversen Interviews) auf den Prüfstand. Fazit: Man muss das Buch von Thilo Sarrazin nicht gelesen haben, um die abwertenden Thesen speziell mit Bezugnahme auf die Muslime und wahlweise auch auf die Türken nachvollziehen oder rechtfertigen zu können. Auch nach intensiver Lektüre bleiben sie tendenziös und pauschal abwertend.
Er vergleicht Türken, Araber und Muslime mit Tieren. Danke Herr Sarrazin, danke Deutschland und besonderen Dank der BILD Zeitung und seinem Chefredakteur Kai Diekman. Diesen Aussagen kann ich nur hinzufügen, dass das Buch einen sehr aussagefalschen Titel trägt: Es sollte nicht „Deutschland schafft sich ab“ heißen, sondern „Der ewige Türke“ oder „Die Protokolle der Weisen Türken“ heißen.
Positive Erfolge werden mit einer Publikation wegradiert. Eine Fehlleistung gegen die Verdienste vieler Unterschiedlicher
Aber um eines bitte ich Sie höflich: Bitte lassen Sie die Kirche im Dorf, bevor Sie meinen Artikel lesen. Thilo Sarrazin hat mit seinen Ausführungen, laut Humbold Universität, Dämme einbrechen lassen. Die Grenze des Sagbaren hat sich im Zuge der Debatte verschoben und der Diskursraum hat sich bis an den Punkt der öffentlichen Diffamierungen verlagert. Indem über einen vergleichsweise langen Zeitraum über fünf Prozent der Bevölkerung Deutschlands unter dem Gesichtspunkt von Ausschlussoptionen, Beweislast und einer sich verstetigenden Zugehörigkeit auf Probe gestellt werden. Es wurde teilweise sehr abwertend debattiert. Die zuvor messbaren identifikatorischen Integrationserfolge bei dieser Gruppe drohen von selbst zurückzufallen. Die sich verstetigende emotionale Zugehörigkeit zu Deutschland, die in den vergangenen Jahren und speziell im Nachgang der Weltmeisterschaften 2006 und 2010 messbar war und mit Fragen nach Heimat und Zukunftsorten erfragt wurde. Es ist zur Zeit argumentativ in weite Teile der „Community“ hinein nicht vermittelbar. Angst, Rückzug, Apathie und Trotz dominieren, auch wenn aktive Bekenntnisse zu „Deutschland als Heimat“ artikuliert werden.
Pathetische Analyse
Ist diese analogische Schlussfolgerung nicht die widerlichste und älteste Form vom Biologischem Rassismus, indem man gewisse genetische Merkmale zum Zentralpunkt sozialer Probleme macht und diese rassistische Haltung unter dem Deckmantel einer Pseudo-Naturwissenschaftlichkeit als korrekt und triftig zu verkaufen versucht?
Solche Thesen haben Rassisten in den USA damals vertreten, als sie behauptet haben, dass Schwarze Tieren ähnlicher sind als Menschen, und dass dies sich dadurch erklären ließe, dass deren Begabungen und Fähigkeiten, denen der Affen ähnlicher sind. Gott sei Dank leben Vertreter solcher sinnlosen und dummen Thesen nicht mehr in den USA, aber in Europa leben anscheinend sogar heute noch Minister und Abgeordnete, die noch immer versuchen, ihre Hasspredigten wissenschaftlich zu belegen. Manche fühlen sich sogar durch solche „Feststellungen“ und „Schlussfolgerungen“ dermaßen überragend, dass sie sich im Zuge solcher Thesen zu einem selbsternannten „Sozialingenieur“ einstufen, auf dieselbe Art und Weise wie sich Sarrazin in der Profil Reportage als Sozialingenieur bezeichnet. Sein Ziel ist es seine antisoziale und biologische Rassismus-Ideologie in Zukunft auf Juristische Grundlagen zu verfälschenden Statistikenzahlen zu betonieren. Ähnlich wie bei den Nürnberger Gesetzen – auch als Nürnberger Rassengesetze bekannt.
Die Nationalsozialisten institutionalisierten ihre antisemitische Ideologie am 15. September 1935 in Nürnberg mit Nationals kurz NS genannt, auf juristischer Grundlage. Dieses beinhaltet das Gesetz „zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ (RGBl. I S. 1146) – das sogenannte Blutschutzgesetz – sowie das Reichsbürgergesetz (RGBl. I S. 1146). Apropos, aufgrund der bitte besser erklären, da kann und könnte ein ordentliches Missverständnis gemacht war. Hier müssen wir die Bemerkung machen, dass die NSDAP in Deutschland nicht die National Rassistische Partei Deutschlands war, sondern die National Sozialistisch Demokratische Arbeiterpartei. Also wurden die Begriffe Sozialismus und Arbeiterpartei von den Nazis und Rassisten in Deutschland, Österreich und auf der ganzen Welt dermaßen ausgenutzt, sodass sich die Welt bis jetzt nicht richtig erholen konnte.
Deswegen sind „diese Bildungsmenschen“, die angeblich alles wissen, in jeder Gesellschaft mit Vorsicht zu genießen. Wenn man Sarrazins Buch liest, findet man auch keine Lösungsvorsätze, Diffamierungen, Ressentiments, Ausgrenzung, und Verachtung gegenüber Türken und auch Araber. Vielmehr verliert sich durch die Lektüre der, durch die mediale Wortmeldung suggerierte, Objektivitätsgehalt. Hinter einer deutlich volkswirtschaftlich geprägten, den Menschen nach ökonomischen Aspekten wertenden Subjektivität, die Geringverdiener als weniger wert für die deutsche Gesellschaft, Migranten sogar als potenzielle Belastung und Muslime als volkswirtschaftliche Schädlinge einschätzt. Besserverdiener gelten im Gegenzug als intelligenter, wertvoller und berechtigter, Nachwuchs zu zeugen.
Die Thesen des Buches sind zudem weitgehend identisch mit Thilo Sarrazins Wortbeiträgen in den Medien und den Vorab-Publikationen der BILD und des SPIEGEL. Es ist daher eher als eine Verkaufstaktik zu bewerten, wenn Sarrazin suggeriert, sein Buch könne nicht verstanden werden, ohne dass man es vorher gelesen habe. (Humbold-Universität).
Da ich, ein österreichischer Staatsbürger mit türkischem Hintergrund, als kleiner Verleger in Wien lebe, bin ich davon direkt betroffen. Normalerweise hätte ich als streng säkularer Österreicher mit türkischer Abstammung und muslimischen Hintergrund Sarrazin mit seinen angeblichen antifundamentalistischen Worten womöglich sogar sympathisch finden können. Ich liebe Hunde und Pferde! Seit meiner Kindheit habe ich immer viele Tiere in meiner Umgebung gehabt, Sie geliebt und sogar groß erzogen. Seit kurzem besitze ich auch einen Mops des Planeten Venus. Der Hund ist in der Steiermark bei einer berühmten Mops-Züchterin gelandet – wie einst der berühmte E.T. Meine Mopsdame heißt Fabia und ist ein lebendiger, gesunder Mops, der sogar über einen EU-Pass verfügt – genauso wie ich. Also ich als austro-türkischer Mensch, wenn Sarrazin mir erlaubt mich als Mensch zu definieren, und mein austro-venusischer Hund haben etwas gemeinsam – nämlich einen EU-Pass. EU heißt schließlich: „Wertegemeinschaft“. Was für Werte sind das frage ich mich jetzt?
Ich weiß nicht, was für ein „Mensch“ Thilo Sarrazin ist, aber sein Vergleich von Menschen mit Tieren sehe ich als „Nette und böse Hunde“-Klasse – Sie auch? Auf die Frage im Profil, was die Österreicher für ein Volk wären, antwortet Sarrazin wortwörtlich: „Ich möchte den Österreichern nicht zu nahetreten. Sie sind eine Abspaltung des deutschen Volkes.“ Auf eine weitere Frage vom Profil: „Das wird die meisten Österreicher nicht sehr freuen“, erwidert Sarrazin: „Aber sie haben ja selbst 1938 mit großer Mehrheit für den Anschluss an das deutsche Volk gestimmt.“
Die Wiedergabe eines Missverständnisses
Der Mann bezeichnet sich selbst als „wahrer Sozialdemokrat“ und möchte mit Rechtsextremismus und der FPÖ nichts zu tun haben, so in der Profil Reportage. Da vergisst der Profil-Journalist plötzlich, dass er ja Sarrazin zu befragen hat und macht eine traurige Bemerkung, wo Profil folgendes schreibt: „Das ist leider wahr“ – an diesem Punkt beginnen bei mir die Alarmglocken zu läuten. Was ist wahr? Ich möchte es wirklich erklärt haben. Was haben Deutschland und Österreich aus der Geschichte gelernt? Welche „Werte“ sind wichtig in Deutschland und Österreich?
Nachher stellt Profil die Frage: „Wissen Sie eigentlich, wer Ihre Anhänger in Österreich sind?“ Sarrazin: „Ich habe mich mit der österreichischen Politik nicht befasst. Ich mische mich auch grundsätzlich nicht in innere Angelegenheiten anderer Länder ein. Ich kann aber sagen, dass ich eine Reihe von Einladungen der FPÖ abgelehnt habe.“ Ab jetzt überlege ich als Österreicher – lassen wir meine türkische Abstammung einmal beiseite – mit was für einem Menschen haben wir es hier zu tun? Wie haben Sie diesen Satz von Sarrazin nun interpretiert? Ist das eine Drohung?
Die FPÖ ist eine legitime, von Östereicher/-innen gewählte Partei. Warum lehnen Sie die Einladungen der FPÖ in Österreich ab, Herr Sarrazzin? Was ist dies für eine Doppelmoral? Man muss das Buch von Thilo Sarrazin nicht gelesen haben, um die abwertenden, diffamierenden Thesen, speziell in Bezugnahme auf „die Muslime“, wahlweise auch auf „die Türken und Araber“ nachvollziehen oder rechtfertigen zu können. Auch nach intensiver Lektüre bleiben sie tendenziös und pauschal abwertend? Die FPÖ ist zumindest ehrlicher als der Deutsche Sozialdemokrat Sarrazin. Mindestens wissen wir bei der FPÖ, wo wir stehen. Er sagt, er mische sich auch grundsätzlich nicht in innere Angelegenheiten ein – diese Antwort kennen wir von Diktatoren. Diktatoren, korrupte und faschistische Menschen, die in ihrem eigenen Land die EinwohnerInnen ausnutzen, foltern, plündern und verfolgen.
Sie sagen, dass sie sich nicht in Angelegenheiten anderer Länder eimischen würden, aus dem Grund, damit sich niemand in ihre Angelegenheiten einmischt. Der gute Sarrazin mischt sich aber sehr wohl in die türkischen inneren Angelegenheiten ein und vergleicht türkische und arabische Gene mit denen von Tieren, diffamiert und hetzt Deutsche gegen TürkInnen und TürkInnen gegen Deutsche auf, sagt unmögliche Sätze über die Abspaltung des deutschen Volkes und den Anschluss von 1938. Dann fügt er hinzu: „Ich mische mich grundsätzlich nicht ein“? Was würden Sie mit so einem arroganten, angeblichen Bildungsgutbürger tun? Eine schöne persönliche Begründung, warum man Herrn Sarrazin nicht mögen kann oder sollte. Auf die Frage des Profils: „Die Morde an Abtreibungsärzten in Amerika würden Sie aber nicht als Beleg für eine dem Christentum inhärente Gewaltbereitschaft heranziehen, oder?“, gibt Saraazin folgende Antwort: „Ich rede hier nicht über die USA, sondern über Europa. Ich schreibe auch: „Keine andere Religion tritt in Europa so fordernd auf.“
Eine großartige Frage und bekannte Ausstiegsmethode: „Ich rede nicht von den USA, ich rede von Europa“. Man fragt sich natürlich, ob der Herr Sarrazin derselben Logik nachgehen würde, wenn es um mögliche Terrorattacken von Radikalislamisten in Europa handeln würde. Würde er etwa sagen, „9/11 war doch in den USA, wir sprechen aber von Europa.“ Unter „ortspezifisch“ im politischen Diskurs versteht man etwas anderes. Radikale Anhänger sind radikale Anhänger, egal wo sie sind und zu welcher Religion sie gehören. Es kann ja nicht so schwer sein, zumindest das einzugestehen.
Sarrazin möchte sich von seiner nationalitätsbedingten Dummheitsauffassung nicht abhalten lassen. Zu diesem Zwecke hat er sogar genau recherchiert, wie gut die türkischstämmigen Schüler gepunktet haben, so dass seine These aufrechterhalten bleibt. Diese These kennen wir schon: Dummheit hängt von der Zugehörigkeit zu einer Religion oder Nation ab, und nicht von politischen, klassengesellschaftlichen oder sozialpolitischen Mängeln. Beweis? Vergleicht bitte die Ergebnisse der türkischen Schüler in der Türkei und in Deutschland. Die sind gleich! Ergo: „Je weniger türkische Schüler in Schulklassen, desto höher die PISA Ergebnisse.“ Schamlos vertritt Sarrazin die These, dass der letzte Aufstieg deutscher Schulen irreführend sei, da es in der Studie auch die Türkei gibt, und der schlechte Durchschnitt der Türkei jedes Land in der Skala höher erscheinen lässt, als sie eigentlich wirklich sind. Wenn man diese Aussage liest, merkt man ganz deutlich, dass man dem Herrn Sarrazin von seiner nationalitätsbedingten Dummheitsauffassung nicht abhalten kann. Es ist und bleibt eine klinische Sturheit.
Das – und damit eine Kernthese seines Buches – wurde von den Wissenschaftlern widerlegt, indem die soziale Unterschicht ohne Migrationshintergrund jener mit Migrationshintergrund gegenübergestellt wurde. Hierbei hat sich gezeigt: Die zweite ist dynamischer und steigt im Laufe der Generationen sogar eher auf als die erste.
Sarrazin vermischt seine scheinbar „so genaue Analyse“ mit einem generellen Unwillen und Abneigung gegen das Erscheinungsbild der neuen Deutschen. Die Konsequenz davon ist, dass er letzten Endes mit Zahlen beweisen möchte, dass diese subjektive Abneigung objektiv begründet werden kann. Schon vor 10 Jahren hat sich eine Wirtschaftssprache unter einigen Ökonomen und Politikern eingebürgert, als handle es sich bei Menschen um Ressourcen. Nicht ohne Grund gibt es heute das abstoßende Wort „Human-Ressources“. Diese Wirtschaftssprache fließt bei Sarrazin ein, und sie zeigt ihren ganzen menschenverachtenden Hintergrund, wenn sie darauf hinausläuft, dass ein Teil der Bevölkerung eine unbrauchbare oder schlechte Ressource für die Wirtschaft ist.
Für Probleme und Herausforderungen muss die Politik Antworten finden. Es kann aber nicht darum gehen, die schuldigen Sündenböcke in der Bevölkerung zu suchen. Wer so vorgeht, zerstört in Wahrheit jede sinnvolle Politik und verbirgt eher seine eigene Ratlosigkeit. Perfekter Abschluss: Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hat eine Befragung zum Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft durchgeführt.
Das Ergebnis: „Zuwanderer blicken mit weniger Zuversicht auf das Zusammenleben in Deutschland als noch vor einem Jahr”. Für die vergleichende Umfrage der Jahre 2009 und 2010 wurden mehr als 2000 Personen mit und ohne Migrationshintergrund befragt. Wie der Sachverständigenrat nun berichtet, zeige sich in den Antworten auf die Frage, ob die Mehrheits- und Zuwanderungsbevölkerung „ungestört miteinander“ leben könnten, bei Zuwanderern ein deutlicher Unterschied zwischen Herbst 2009 und Jahresende 2010. Dieser Aussage haben 2009 nämlich noch 21,7 Prozent der Zuwanderer ‘vollkommen’ zugestimmt. Im November und Dezember 2010, nach der Sarrazin-Debatte, bestätigten diese positive Einstellung lediglich noch 9,1 Prozent.” Umgekehrt habe sich der Anteil der pessimistischen Einschätzungen unter den Zuwanderern nahezu verdoppelt: So bewerteten 2009 nur 3,5 Prozent die Einschätzung eines ungestörten Miteinanders mit “gar nicht”. 2010 stieg ihr Anteil auf sechs Prozent. (yenivatan.at, Birol Kilic , 15.01.2011)
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